Durch das Südliche Rote Meer nach Suakin

Bab el Mandeb, der Eingang zum Roten Meer

Bei wenig Wind kreuzen wir vor Djibouti auf und ab bis der Wind so wenig ist, dass der Motor für zwei Stunden mithelfen muss. Genau zum ersten Morgengrauen erreichen wir nach achtzig Meilen Bad el Mandeb, das Tor der Tränen Allahs. Es ist schon eindrücklich, wie wir zusammen mit unzähligen Frachten neben uns diese Engstelle passieren. Dank des Verkehrstrennungsgebietes ist es klar, wo ein jeder der grossen fährt, nur wir sind diesmal nicht mittendrin sondern halten uns an den Rand auf der Seite von Djibouti.

Um dem entgegenkommenden Frachter nicht zu nahe zu kommen, fahre ich vor dem Wind, einige Male fällt der Screecher zusammen, um sich dann mit einem lauten Knall wieder aufzublasen. Unangenehm, und wie sich später herausstellen wird, der Haltbarkeit des Materials nicht sehr zuträglich. Bis am Nachmittag hangeln wir uns mit Kurs 290, 335, 300 und 332 westlich der Grossschifffahrt in Richtung Nordwest in das Rote Meer. Als wir zu hart am Wind sind, zieht Reto die Fock dem Screecher vor, als ich übernehme ist der Winkel besser, wir setzen den Screecher wieder, denn ich bin gerne schnell. Auf noch fast glattem Wasser purzeln die Meilen auch geradewegs so dahin.

Inseln zischen den Verkerhtrenngebiet am Eingang vom Roten Meer
Inseln zwischen den Verkehrstrenngebieten am Eingang vom Roten Meer

Nach der Grenze zu Eritrea passieren uns sechs hübsche in unterschiedlichen Farben bemalte traditionelle Fischerboote von Ost nach West. Nur wenige Minuten später kommen zwei kleine moderne Boote auf uns zu. „Oh die kommen jetzt aber nahe“ schrecke ich mich, da zeigen sie Reto schon einen Fisch und machen Handzeichen, dass sie Durst haben. „Füll ihnen doch eine Flasche Wasser“ schickt mich mein Skipper und ich suche eine 1.5 Liter Flasche, die ich mit unserem Wassermacherwasser fülle. Reto wirft ihnen gekonnt die Flasche ins Boot und verneint dankend den Fisch, obwohl ich ihn enttäuscht und fragend ansehe „und der Fisch?“. „ Ja, möchtest Du denn gerne ein Loch im Boot haben? Schau Dir doch mal den Seegang an. Ausserdem war das sowieso ein Barrakuda oder so etwas (den wir wegen Ciguatera in der Vergangenheit lieber nicht gegessen haben). Ich sehe seine Argumente ein und freue mich, dass wir den Fischern geholfen haben. Dem Bauchgefühl gehorchen hat wieder einmal funktioniert. Am frühen Abend beissen innerhalb einer Stunde zwei hübsche Thunfische mit gelben Flossen, das Fleisch ist unheimlich zart, die nächsten Tage gibt es wieder Thuna Chaud Froid, denn ganz roh können wir nach unserer Vergiftung im Indischen Ozean noch keinen Fisch essen.

Angela mit frisch gefangenen Thunfisch im Roten Meer
Die glückliche Bordfrau mit frisch gefangenen Thunfisch im Roten Meer
Thunfisch kurzgebraten Chaud Froid
Thunfisch kurzgebraten Chaud Froid

Übermut tut selten gut – unser Screecher badet im Roten Meer

Nach 205 Meilen, einem Drittel der Strecke in weniger als 1.5 Tagen übernehme ich um 11 Uhr abends die Wache. Drei unruhige Stunden lang versuchte ich etwas zu schlafen. Die Dünung hebt uns auf und ab, mit grosser Geschwindigkeit surfen wir die Wellen runter. Dadurch ist die Richtung sehr variabel, es passiert wieder und wieder, dass der Screecher zusammenfällt, um sich im nächsten Moment mit einem lauten Knall wieder aufzublasen. Reto ist noch nicht lange am liegen, da tut es einen solchen Knall und im nächsten Moment flattert das Segel wie verrückt. Ich sehe, dass das Vorliek nicht mehr gespannt ist und rufe nach Reto „Komm helfen, jetzt hat es uns die Rolle ausgerissen“. Als erste Massnahme rollen wir die Fock aus, denn bei so viel Wind geht ein Bergen des Screechers sowieso nicht ohne.

Natürlich flattert das Segel dahinter immer noch wie verrückt, wir versuchen es während dem Runterlassen zu bergen, doch es wird ins Wasser gezogen, von dem Druck zerspringt die Relingleine neben uns, wir fahren über das Segel und ich bin sicher es ist komplett verloren. Mit aller Kraft und maximalen Einsatz rolle ich die Fock weg, ich denke ohne Fahrt wird es besser. Tatsächlich dreht die She San automatisch bei, wir driften noch mit 1.5 Knoten weiter und können so wenigstens die Überreste des komplett zerfetzten Segels unter dem Bug hervor aus dem Wasser ziehen. Reto bindet das elendige Häuflein nasses Tuch auf dem Trampolin fest, wir klarieren die Schoten, ich sichere die zerfetzte Reling. Unter Motor drehen wir wieder in den Wind, eine riesige Welle badet mich von oben bis unten, dann setze ich die Fock und weiter gehts mit schlotternden Knien.

Die nächsten paar Stunden habe ich Zeit unter dem Mondlosen Sternenhimmel das Erlebte zu verarbeiten, was nicht einfach ist. Ich mache mir schwere Vorwürfe. Ich bin es immer, die gerne schnell unterwegs ist und mit meiner Art stachle ich Reto dazu an, seine Sicherheitsbedenken zu vernachlässigen. Das ist nicht gut, denn es braucht sicher beides.

Am nächsten Morgen begutachten wir den Schaden und stellen fest, dass wir einen elementaren Fehler gemacht haben. Die Rolle ist nämlich noch an ihrem Platz, es hat lediglich den Aussenmantel des Falls an der Stelle verrissen, an der die Klampe gegriffen hatte. Wir hätten über den noch intakten Kern des Falls dieses mit der Wisch unter Zug wieder spannen und den Screecher wie gewohnt über den Rollmechanismus einrollen können. Hätten wir in der Nacht mehr gesehen und den wahren Fehler erkannt. Nochmals ärgerlich, sehr sogar. Dennoch bin ich froh, sind wir beide gesund und ohne Schaden aus der gefährlichen Situation herausgekommen und dass wir es geschafft haben, die Fetzen des Segels wieder zu bergen. Und wie Reto in dem Häufchen Segelfetzen sitzend diese sortiert, was zusammengehört, und sich allen Ernstes überlegt, ob er diesen Haufen an Bord wieder reparieren kann, bewundere ich meinen Skipper in grösstem Masse und bin froh einen so tollen Partner zu haben.

Der zerrissene Screecher
Der zerrissene Screecher
Ganze Arbeit
„Ganze Arbeit“ (Foto später am Ankerplatz in Suakin)

Aufgrund des Vorfalls ist die Segelwahl für den restlichen Reiseabschnitt klar: es bleibt die kleine 45 m2 Fock, denn für den Parasailor ist immer noch zu viel Wind, ausserdem haben wir noch kein Ersatzfall parat. Bis auf diverse Ausweichmanöver ist der Rest der Reise dann auch nicht mehr so aufregend.

Verfolgt vom Iranischen Kriegsschiff?

Doch, stimmt nicht! Das Iranian Warship zum Beispiel vermag es uns auch noch auf Trab zu halten. Als es den Tanker, der uns gerade mit knapp einer Meile passiert aufruft und dazu auffordert mehr Abstand zu ihm zu machen, schliessen wir, dass es auch von uns nicht zu weit entfernt ist. Während seiner Wache beobachtet Reto alle Lichter rundherum und ordnet den Lichtern jeweils die AIS Signale zu bzw. umgekehrt. Dann übernehme ich kurz vor 23 Uhr die Wache. Kaum sehe ich nach draussen, ist ein riesiges nur mit den zwei weissen höhenversetzten Lampen beleuchtetes Schiff direkt vor uns nach Westen durchgefahren. Als ich es sehe, habe ich fast das Gefühl, es fühlt sich ertappt und dreht schnell weg, so dass ich in kürzester Zeit nurmehr das Rücklicht sehe. Es ist nicht auf dem AIS zu sehen. Ich vergewissere mich und sehe, dass es eindeutig von uns weg fährt. Kurz aufs WC, richtig anziehen, mit einer Tasse Tee in der Hand schaue ich kurz danach wieder nach draussen – da ist das gleiche Ungetüm unmittelbar hinter uns! Hecktisch schalte ich den Radar ein, denn jetzt wird es mir zu bunt. Bis der Radar eine Minute später aufstartet, ist der dicke Metallfleck ohne AIS schon 1.5 Meilen hinter uns, die Lichter sind aber in der gleichen Zeit auf ein Drittel reduziert. Als wie wenn sie sich schon wieder ertappt gefühlt hätten, haben sie sich in Windeseile aus dem Staub gemacht. Aufgrund der Differenz der Lichter schätze ich, dass sie anfangs auf 0.5 bis 0.75 Meilen neben uns waren…warum wohl? Wollten sie die Geduld bzw. die Nerven zweier Schweizer Segler austesten?

Unser Chartplotter zeigt viel Verkehr im Roten Meer
Unser Chartplotter zeigt viel Verkehr im Roten Meer

Ankunft im Sudan

Wir rechnen hin und her, doch nur mit der kleinen Fock schaffen wir den Weg „aussenrum“ im grossen Bogen nach Suakin nicht mehr ohne irgendwann Gegenwind zu bekommen. Wir entscheiden uns 20 Meilen von der Eritreischen Grenze entfernt in die Sudanesischen Gewässer einzufahren und die nächste geschützte Bucht anzulaufen. Dort stehen wir gut, alles ist easy, der Anker fällt hinter einer 1 Meter hohen Korallenplattform, mit Sträuchern wild überwachsen und von Ziegen bewohnt. Ich witzele noch „ das ist ja wie in Griechenland, nur hat es nicht mal Hügel…“.

Reto hisst die Flagge vom Sudan
Reto hisst die Flagge vom Sudan

Wir geniessen die Ruhe, gönnen uns ein feines Abendessen vom Grill und fallen ins Bett wie selten zuvor. Die mistige Matratze fühlt sich wiederum an wie das Himmelbett schlecht hin, nur ausstrecken und Schlafen und das über Stunden am Stück!

Wir sind so entspannt, dass unsere Französischen Nachbarn von der Barbar schon vor uns aufbrechen. Wollten Sie doch erst am Abend und dann über Nacht nach Suakin segeln? Wir fühlen uns gechallenged, gehen vor dem Kaffee Anker auf und schaffen es innerhalb von 8 Stunden hart am Wind die halbe Stunde Vorsprung der Franzosen aufzuholen – und das als Katamaran 😉 😉

die Yacht Barbar in Schräglage hart am Wind
Hart am Wind hinter dem Riff sind wir stolz die Barbar einzuholen.

Als wir mit dem vierten Barrakuda noch dazu einen ganz stattlichen fangen, holen wir ihn an Bord. Ich schneide gerade die Filets raus, als Reto das Email seiner Mama Felicitas vorliest „Ja, es gibt Ciguatera im Roten Meer“. Mist, der Barrakuda wandert in den Kühlschrank und nicht auf den Grill.

Am nächsten Morgen lotsen wir die Franzosen durchs Riff, danach setzt mein Skipper Segel und ich glaub mich tritt ein Pferd. Bei 15 Knoten gegenan mit immerhin etwas Wellenschutz kreuzen wir bis in den frühen Nachmittag, dicht gefolgt von Barbar, die sich dann auch irgendwann scheuen, einen Katamaran mit Motorkraft zu überholen ;-).

Hafen in der Einfahrt von Suakan im Sudan
Hafen in der Einfahrt von Suakan im Sudan
Einfahrt Suakin im Sudan
Einfahrt Suakin im Sudan – die erste Etappe im Roten Meer ist geschafft!

Dank der Tracks von anderen Seglern ist die Einfahrt bis in die geschützte Bucht hinter den Ruinen der Altstadt ein einfaches, doch fällt mir schon vom Ausguck auf, dass kaum eine SHE SAN Breite rechts und links von uns in der Einfahrt Platz hat.

Unser Anker fällt, die Motoren sind ruhig, endlich kehrt Stille wenn auch noch nicht Ruhe ein auf der SHE SAN. Wir öffnen ein Ankunftsbier und freuen uns über den erfolgreichen Meilenstein, auch wenn diesmal nicht ganz unbeschadet…

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6 Gedanken zu „Durch das Südliche Rote Meer nach Suakin“

  1. Spannend wieder mal , danke für euren jüngsten Bericht!
    Was für eine tolle Weltreise mit euch, derweil ich in Valzeina am Schreibtische hocke!
    Freundliche Weiterreise…..
    herzlich Eva

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