Indischer Ozean und Golf von Aden

3550 Meilen und 28 Tage Durch den Indischen Ozean und das berüchtigste Piratengebiet der Welt

Leinen Los in Penang

Mit flauen Gefühl im Magen – auch wegen dem Essen am Vorabend beim Nasi Kandar in der Stadt, immer noch stark verschwollen Augen und wenig Schlaf machen wir nach unserem anstrengenden Ausklarierungstürk in Penang um 11 Uhr die Leinen los. Indischer Ozean – wir kommen!

Wir motoren um die Insel Penang in Richtung Westen. Am Samstag soll Wind kommen, den möchten wir nicht auf der Nase sondern gerne von der Seite haben, daher ist es höchste Zeit. Ungewöhnlich dennoch. Noch nie haben wir bisher eine Segelreise mit Flaute gestartet, dafür ist die Gewöhnung an den Bordalltag umso einfacher. Weder schüttlelt es, noch schaukelt es.

In der Nacht leuchtet der mondlose Sternenhimmel, ich beobachte eine Sternschnuppe und sehe die Milchstrasse. Mit einer Tasse Tee in der Hand ist mein Lieblingsplatz auf der Bank stehend, da kann ich mich gemütlich nach vorne anlehnen und die Sterne geniessen.

Sonnenaufgang Indischer Ozean
Sonnenaufgang bei Sumatra im Indischen Ozean

Am zweiten Tag können wir sogar für einen halben Tag den Parasailor setzen, ein herrliches Gefühl bei wenig Wind und Null Welle mit den 140 m2 Tuch ohne Lärm dahinzugleiten. Spätestens jetzt sind wir froh, den Absprung geschafft zu haben, die Ruhe kehrt ein an Bord, wir werden langsam entspannt.

Der für den dritten Tag versprochene Wind setzt natürlich nur verspätet und auch noch sehr zögerlich ein. Man merke sich, alles was unter 10 Knoten vorausgesagt ist, kann auch gut mal ausbleiben. Den Wind, der da ist nützen wir und segeln so unfreiwillig einen Kurs relativ weit südlich. In der 5. Nacht merken wir, dass wir zu nahe an der Konvergenzzone gelandet sind und uns mitten im Gebiet der Gewitterzellen wiederfinden.

Eine ganze Nacht lang werden wir genervt von dem Spiel „Auffrischen, Richtungswechsel, Regenschauer, Flaute“ und dann geht es wieder von vorne los. Beim nächsten Wetterbericht laden wir die Regenprognose mit herunter und erkennen, dass wir uns am Rande eines Tiefs befinden müssen, dass sich vom Süd Indischen Ozean bis in den Norden zu uns ausbildet. Oder war es doch ein Hoch, aber mit ordentlich Regen und Gewitteraktivität am nördlichen Rand? Mit halben Wind und einer noch nie dagewesenen Durchschnittsgeschwindigkeit von über 9 Knoten entfliehen wir innerhalb von 9 Stunden dem Spuk in Richtung Norden. Ob wir doch mal einen längerfristigen Wetterbericht herunterladen?

Im Norden ist dann alles gut. Der Sternenhimmel ist getrübt nur noch von vereinzelten Kumuluswolken, es bläst bis zu 15 Knoten aus der richtigen Richtung und wir suchen uns die Besegelung aus, einmal mit Parasailor eher vor dem Wind, dann mit dem Screecher gemütlich durch die Nacht und schliesslich mit Gross und Fock mit leicht achterlichem Wind auf Kurs in Richtung Sri Lanka Südspitze.

Tanker Tanker Indischer Ozean
Tanker halten uns auf Trab auf der gesamten Strecke im Indischer Ozean

Piraten oder Fischer?

Am 3.2., Reto’s Geburtstag, bin ich mittags gerade im Bikini in der Küche am Bratkartoffeln braten, da sieht Reto ein Fischerboot auf uns zu kommen. „Schnell, zieh dir was an“ ruft er mir zu und ich streife ein T Shirt über und binde mir einen Sarong um. Mit der Kamera bewaffnet suche ich das Fischerboot. Es ist das erste seit Abfahrt in Penang und sieht interessant aus, wieder anders als in Indonesien, Thailand oder Malaysien. Doch was machen sie? Als Reto den Kurs ändert, machen sie vor uns einen Kreis und versuchen uns vor unserem Bug zu kreuzen. Zum Glück haben wir Platz genug um auf Halben Wind Kurs zu gehen, ich trimme die Segel und ab geht die Rauschefahrt. Sie winken uns noch eifrig zu, ich winke zurück, bin aber froh, dass sie mit uns nicht mithalten können….

Der Schock sitzt uns doch in den Gliedern. Das kann ab jetzt öfter passieren, darüber sind wir uns im Klaren. Zwar haben wir in den Philippinen und in Indonesien nur gute Erfahrungen mit Fischerbooten gemacht. Diese hatten sich aber anders angenähert und irgendwie freundlich gewirkt, mit Fischen gewunken ect. Und die Phillipinos wollten niemals mit einem Netz im Schlepptau direkt vor uns durch….

Der Grossteil der restlichen 300 Meilen bis an die Südspitze von Sri Lanka haben wir Wind von der Seite, den Strom mit uns und so gut wie keine Welle. Unter Gross und Fock wechseln wir im Takt von wenigen Minuten zwischen 6 Knoten Rauschefahrt und 4 Knoten Dümpeln. Bei richtig eingestellten Segeln muss man dabei nicht mal gross etwas machen. Der Wind nimmt ab, wir werden langsam, der Wind nimmt zu, wir beschleunigen, dadurch nimmt der scheinbare Wind weiter zu, wir fräsen dahin für ein paar Minuten, dann nimmt der Wind wieder ab und wir werden wieder langsam. Wenn ich ungeduldig bin, helfe ich jeweils mit durch kleine Kurskorrekturen nach, damit es schneller geht…

Tanker im Abendhimmel Indischer Ozean
Tanker im Abendhimmel im Indischen Ozean

Wir umrunden Sri Lanka’s Südspitze

Am 5.2., nach gut neun Tagen unterwegs fahren wir mit dem Parasailor die Südküste von Sri Lanka an. Reto nimmt sich noch „schnell“ den Service der Dieselsekundärfilter vor, dazu muss er zunächst einmal den Tank ganz füllen, damit der Abscheider sich am Ende auch wieder mit Diesel füllen mag. Natürlich ist der Füllstand beim ersten Versuch zu tief. Während ich also mit dem Parasailor einer Vielzahl von Fischerbooten, Bojen und Frachtschiffen ausweiche, kämpft Reto mit dem Wiederauffüllen der Abscheider. Dann macht natürlich auch der Wind nicht genau was vorhergesagt ist, wir verräumen den Parasailor und dümpeln weiter mit dem Screecher vor uns hin, bis schliesslich der Motor übernimmt.

Wir sind beide hundemüde, keine gute Voraussetzung für eine Nacht nahe der Küste. Und tatsächlich, die Nacht ist brutal. Durch unzählige Cluster von Fischerbooten ist Reto gezwungen im Kanal nahe der Küste zu bleiben, das bringt uns schnurstracks nachts um 2 direkt vor den Hafen von Galle, vor dem natürlich auch nachts einiges los ist. Ein Tugboat kreuzt unseren Kurs unbeirrt hundert Meter vor uns, so dass wir das Segel reinnehmen und stoppen müssen. Kurz danach fährt uns ein Fischer ein paar Meter vor dem Bug durch, ein anderer fährt uns nach und löscht gefühlt direkt neben uns alle seine Lichter.

Im Nachhinein sind wir schlauer, wir hätten besser den Umweg in Kauf und südlich der Grossschifffahrt durchfahren sollen. Gleichzeitig tut es uns leid, dass wir so nah an diesem Land vorbeisegeln ohne dort stoppen zu können. Unsere Neugier wäre gross, aber zur Zeit heisst es, dass man Sri Lanka überhaupt nicht anlaufen kann und ausserdem sind wir schon reichlich spät in der Saison.

Natürlich ist in der Abdeckung von Sri Lanka der Wind erst mal weg. Dafür soll er dann etwas weiter nordwestlich umso stärker blasen. Die Alternative „Treibenlassen“ kommt wegen der nach Südwest setzenden Strömung nicht in Frage. Ich studiere im Detail die Wetterkarten und rechne aus, dass wir in etwa die gleiche Zeit motoren, egal ob in Richtung Wegpunkt oder in Richtung Norden. Das letztere hat den Vorteil, dass der Winkel bei den anschliessend vorausgesagten 5 bis 6 Beaufort einen zwar ruppigen aber machbaren Kurs für uns ergeben sollte.

Also investieren wir nochmals 14 Stunden Diesel und setzten den Plan um. Und siehe da, er geht auf. Mittags fahren wir noch unter Motor in ein Gebiet mit vielen Wolken ein, der Himmel verdunkelt sich rund um uns herum. Doch dann geht es nicht lange, bis der versprochene Wind anfängt und kontinuierlich zunimmt, bis nachts um 1 Uhr 30 auf meiner Wache 20 bis 22 Knoten scheinbarer Wind von vorne bis seitlich auf uns einblasen. Mit dazu eine regelmässige Salzwasserdusche über das ganze Schiff, dummerweise habe ich anfangs noch die Küchenlucke und die Salontüre geöffnet. Unklever, stelle ich beim Aufwischen des Salzwassers im Salon fest.

Abendstimmung im Indischen Ozean
Abendstimmung im Indischen Ozean

Fischer und keine Piraten!

Am Nachmittag kommt ein sportliches Fischerboot mit drei Männern in die Nähe. Sie müssen ganz schön schnell sein, habe ich sie doch schon ein paar Stunden an uns vorbei fräsen gesehen. „Möchtet ihr Fisch?“ fragen sie und halten einen hübschen Thuna in die Höhe. Da unser Anglerglück sich immer noch auf Plastikfolien und anderen Müll begrenzt, würde mir der Fisch zur Ergänzung des Speiseplanes schon gefallen.

Ich stürme zu unseren in Malaysien bis auf die Zigaretten geleerten Gabenkiste und krame für einen jeden ein Päcken Ziggis und Zündhölzer hervor, die Reto ihnen in einer Plastiktüte hinübergibt. Sie winken freudestrahlend und drehen ab. „Ja und der Fisch?“ frage ich enttäuscht. Reto ruft ihnen nochmal nach und tatsächlich nähern sie ihr Boot nochmals genauso vorsichtig wie beim ersten Mal. Der Junge, der den Fisch hält steht auf und fällt dabei fast in Wasser, dann wirft er am Bug sitzend den Fisch in den Eimer, den Reto ihm hinüber hält. Irgendwie interessant, unser Gefühl diesmal ist ganz anders, schon bei der Annäherung des Bootes. Ob die ersten Fischer vor ein paar Tagen auch nur auf ein Tauschgeschäft aus waren und sich nur ungeschickt angenähert haben oder uns wirklich in ihr Netz fahren lassen wollten? Wir werden es nie wissen, nehmen uns aber vor, weiterhin auf unser Bauchgefühl zu achten…

Gefährliche Übergabe vom Thunfisch, fast hätte es ihn vom Bötli geworfen
Uff – alles gut gegangen! – Vielen Dank für den Fisch, Jungs!

Malediven ja oder nein?

Zwei Tage später stehen wir vor der Entscheidung in Uligamu, Malediven Halt zu machen oder weiter zu segeln. Wir diskutieren die Für und die Wieder, eigentlich wäre es hübsch, einen kurzen Halt zu machen und etwas von Land und Leuten zu spüren. Bei einem genauen Blick auf die Karte und die Wettersituation wird uns aber klar, dass – sollten wir anhalten- die Weiterfahrt für mindestens ein Woche mangels Wind flach fällt. Der Spezialtarif zum Einchecken gilt aber nur für eine Woche und besondere Tauchplätze hat das Atoll unseres Wissens auch nicht.

Also setzen wir Kurs „Eingang Verkehrstrenngebiet“ vom Golf von Aden, der DTW „Distance to Waypoint“ wechselt von 120 Meilen auf 1370 Meilen, wir luven an und hüpfen regelrecht über die kurzen Wellen. Da kein Stop in Aussicht ist, beschäftige ich mich schliesslich doch mit der Handwäsche der Kleider und Reto schneidet endlich seine Haare (er hat schon ausgesehen wie ein Wischmop ;-)).

Wow, die erste Nachtwache mit Mond! Er leuchtet von vorne und bestrahlt die Wellen, die die SHE SAN tapfer eine nach der anderen entweder übergleitet oder überhüpft. Wir sind hart am Wind bei 3 Beaufort, die Schiffsbewegung ist grösstenteils harmonisch, nur der ein oder andere Klapf an den Rumpf macht Lärm. Vor der Abfahrt haben uns mehrere Personen „viel Spass“ gewünscht und ich dachte noch, was soll daran Spass machen, wochenlang mit wenig Schlaf über den Ozean zu segeln.

Heute muss ich sagen, doch, im Grossen und Ganzen macht es Spass. Auf den bisherigen mondlosen Nachtwachen hat fast immer der Sternenhimmel über uns gestrahlt, ein Paradies für die, die sich auskennen. Ich schaue ringsum und freue mich den Orion, die Pleiaden und den grossen Wagen zu erkennen und vielleicht noch ein oder zwei andere, deren Namen ich nicht weiss. Aber es macht nichts, ich finde es trotzdem fantastisch stundenlang in den Himmel zu starren. Und jetzt mit Mond. Jetzt leuchtet zwar der Sternenhimmel nur mehr schwach, dafür ist das Spiel der Wellen um so interessanter. Also ja, es macht Spass muss ich zugeben ;-).

Ein paar Stunden quäle ich mich schlecht gelaunt aus der Koje, der Spass ist vorbei. Mein Freiwache durch den 8 Degree Channel war ein furchtbares Geschlage, ich hoffe nur dass das Meer auf der anderen Seite wieder ruhiger wird und mache uns grummelig einen Kaffee. Doch der Strom macht uns mehr wie 24 Stunden lang zu schaffen und beschert uns eine Abdrift von mehr wie 20 Grad, so dass wir mit Mühe in Richtung 260 anstatt 290 Grad segeln.

Eines Mittags tut es einen lauten Klapf, irgendetwas ist kaputt, das Segel flattert, aber nur der unterste Teil. Das Schotthorn oder das was es einmal war, hängt in lauter kleinen Fetzerln davon und weht im Wind hin und her. Wir binden das 1. Reff ein. Was nun? Mit Spleissnadel und Sackmesser fädelt Reto ein Dyneema durch die Verstärkungsbänder, doch das Provisorium sieht nach wenigen Stunden nicht mehr vielversprechend aus. Wir segeln vermehrt im ersten Reff. Mit der Bohrmaschine macht Reto Löcher in die Bänder, zweite Versuch ist vielversprechend.

Reparatur des ausgerissenen Schothorns
Reparatur des ausgerissenen Schothorns

Das schlechte Karma rächt sich unmittelbar

Dann endlich ein Fisch an der Angel. Gerade als wir vier Tage lang vom Sri Lanka Fisch gegessen hatten, beisst ein ähnlicher Thuna. Ich habe Freude. Am nächsten Tag ein Baby Mahi. Ich finde es entsetzlich und möchte ihn wieder freilassen, aber der Hacken hat mit der Geschwindigkeit im Wasser seinen Kiefer total zerfetzt. Traurig filetiere ich ihn.

Kurz darauf ein weiterer gut einen Meter grosser Mahi, Reto holt ihn bis vor die Badeplatform und ich soll die Leine nachziehen, als er ihn einholt. „Es geht nicht, es klemmt“ versuche ich Reto verzweifelt zu informieren und schwupps ist der Mahi mangels Zug an der Leine entwischt. „Warum hast du ihn denn nicht dicht genommen“ bekomme ich noch Vorwürfe, bis mein Skipper einsieht, dass die Rolle komplett blockiert ist. Reto nimmt die Rolle auseinander, ich gehe erst mal duschen. Kurz darauf beim Reff einbinden, ganz am Ende, ein Riesensprutz Salzwasser über das ganze Schiff. Fluchend gehe ich nochmals duschen.

Das nächste Mittagessen besteht aus frisch gebackenem Brot, Salat und Mahi Mahi Carpaccio. Trotz viel Wind und Welle werkeln wir beide wie verrückt an irgendetwas, bis ich mit Kopfweh und leichter Übelkeit mich hinlege. Bei Reto das gleiche Unwohlsein. Eine halbe Stunde später hängen wir beide über der einen und der anderen Toilette, circa fünf Mal bis schon lange nichts mehr rauskommt. Durchfall kommt auch noch dazu. Total geplättet lieben wir beide im Salon bis wir in unserer homöopathischen Hausapotheke Arsenicum Album finden und zweimal 5 Kügelchen nehmen. Danach bleibt wenigstens schon der Schluck Wasser unten und ich kann zwischen dem Rundumblick alle 15 Minuten das ein oder andere Nickerchen machen. Ich trinke dünnes Reiswasser und erst am nächsten Nachmittag essen wir jeder eine Hand voll gekochter Karotten, etwas im Magen tut langsam gut.

Natürlich hintersinne ich mich, was die Gründe für diese krasse Lebensmittelvergiftung waren. Entweder irgendetwas am Fisch – die Kühlkette war sicher i.O., Ciguatera haben Goldmakrelen normal nicht oder hat etwa die im Carpaccio verwendete Zwiebel im dicht verschlossenen Tupfer im Kühlschrank schon zu viel Giftstoffe/Bakterien aufgenommen? Fazit, der Rest vom Fisch geht über Bord und bei den Zwiebeln passe ich nun noch mehr auf.

Zwei Tage später langsam wieder fit werdend nervt uns der Wind, stellt ab, auf der Nase, ganze 24 Stunden läuft es im besten Fall nur 30 Grad neben unserer Ziellinie. Dann Zack, Schalter umgelegt, Wind aus NNE und ab gehts wieder, die Meilen purzeln. Abends soll ich schlafen, doch die Schläge auf unseren Schlafplatz auf der Salonbank sind brutal und geben keine Zeit der Entspannung zwischendurch. Reto bietet an, dass er die erste Freiwache übernimmt. Erst nachts um eins, fünf Stunden später, kann dann ich auch ich meinen Schlaf geniessen.

High Risk Area – vom Indischen Ozean in den Golf von Aden

Frühstück im Indischen Ozean - es wird zusehends kalt
Frühstück mit Kappe und Jacke – es wird zusehends kalt im Indischen Ozean

Dienstag, der 15.2. Wir fahren in die „High Risk Area“ ein. Schon die letzten Tage haben wir uns die Anweisungen der MSCHOA (Maritime Security Center Horn of Africa) genau durchgelesen, uns vorbereitet was zu tun ist bei einem Angriff von Piraten und haben Elektronik, Wertsachen ect. im Schiff verteilt. Die älteste Version Computer, iPad und Telefone liegen bereit auf dem Tisch als „Opfer“ sozusagen, alles andere ist mehr oder weniger verräumt. Interessant ist, dass die typischen professionelleren Angriffe nicht in der Nacht und nicht bei grösserem Seegang gemacht werden. Das ist ja immerhin schon etwas, das heisst am meisten Gefahr besteht nur bei wenig Wind. Natürlich gibt es auch noch Gelegenheitstäter, das heisst richtige Fischer, die auf die Idee kommen, es könnte noch etwas auf einer Yacht zu holen sein.

Nur wie unterscheidet man die von den richtigen Fischern, die einfach nur zum Fischen hier rumfahren? Per Funk werden wir von einem Fischer gefragt, ob wir denn Fisch möchten. „Nein, danke, gerade einen schlechten Magen gehabt, die nächsten Tage nicht“. Ich vergesse vom Kanal 14 zurück aufs 16 zu schalten und höre wie er seinem Kollegen die Geschichte in einer anderen Sprache erzählt, Gelächter folgt. Das war ja noch irgendwie nett. Beim nächsten dümpeln wir ewig wegen wechselndem Wind in der Nähe rum, bis er uns wegen einer Schmerztablette, einem „Painkiller“ anruft. Reto erzählt ihm wir haben nur Homöopathie an Bord.

Der dritte Fischer schliesslich ruft uns an, er habe kein Wasser, ob er zu uns Wasser holen könne. Komischerweise kann er die ersten 5 Sätze perfektes Englisch und als Reto sagt, wir haben selbst nicht genug, versteht er auf einmal kein Englisch mehr…??
Was ist nun wirklich ein Notfall, was eine Story, um sich uns zu nähern? Es tut uns Leid einserseits nicht zu helfen, aber die Gegend hier ist speziell und berüchtigt für Überfälle. Wir beschliessen ab sofort nur mehr den offiziellen Behörden zu antworten, wie die Coalition Warships, die Kriegsschiffe, die im Auftrag des Projektes zum Schutze der Schifffahrt hier unterwegs sind. Die ziehen hier scheinbar für uns unsichtbar ihre Kreise und haben auch uns schon zur Identifikation aufgerufen.

Ausserdem senden wir mittlerweile zweimal täglich an die MSCHOA unsere Position, und als sie die Meldung nicht erhalten hatten (internes Problem bei ihnen) hat gleich noch jemand hinterher telefoniert.

Soweit so gut, wir fühlen uns nicht schlecht gerüstet für den Fall der hoffentlich nie eintritt und zählen die Tage bis zu dem Moment, wo diese Anspannung dann auch wieder von uns abfällt. Ein gutes Gefühl gibt uns das tägliche Militärflugzeug, das über dem Golf von Aden seine Runden dreht und nach irgendeinem Muster vereinzelte Schiffe aufruft. Auch wir werden einmal aufgerufen, danach scheinen wir bekannt zu sein, obwohl sich Franzosen, Japaner und Amerikaner abwechseln.

Tanker mit Containertürmen Golf von Aden
Tanker mit Containertürmen im Verkehrstrenngebiet im Golf von Aden

Nach grösstenteils sehr guten Etmalen im indischen Ozean auf dem Weg von den Malediven bis zur High Risk Zone wird es auf den letzten Meilen bis zum Verkehrstrenngebiet noch richtig harzig. Der Wind mag nicht mehr ganz so wie vorhergesagt und kommt zudem immer achterlicher, die Durchschnittsgeschwindigkeit nimmt von 5 – 6 Knoten auf um die 4 Knoten ab.

Die erste Nacht im Verkehrstrenngebiet fahre ich zuerst noch Schmetterling mit Screecher und Fock, danach setzen wir um drei Uhr nachts den Parasailor, ein bisher einmaliges Ereignis. Versuchen wir doch sonst den Parasailor nachts zu vermeiden, sind wir nun froh, dass wir wenigstens etwas vorwärts kommen. Anderthalb Tage bleibt er stehen, alle paar Stunden schiften wir auf den anderen Bug und fahren den zwei Meilen breiten Streifen des IRTC „Internationally Recognised Transit Corridor“ vor dem Wind hin- und her.

Golf von Aden - in den Sonnenuntergang mit dem Parasailor
In den Sonnenuntergang mit dem Parasailor im Golf von Aden

Dann ist der Wind weg, zwei weitere Tage muss der Diesel uns vorwärts schieben, bis wir am unteren Ende des Verkehrstrenngebiets dieses unter dem Parasailor in Richtung Djibouti wieder verlassen. Gerne wären wir nach Suakin im Sudan weitergezogen, doch der Wetterbericht verspricht nichts gutes, der Slot in Richtung Norden ist einfach zu kurz.

Wir verzichten auf die drei Tage mit 20 bis 25 Knoten gegen den Wind und fahren morgens um 3 Uhr in Djibouti ein. Die Einfahrt ist zwar einfach, doch wurde hier in den letzten Jahren jedes einzelne Riff als Terminal umgebaut, was auf unserer Navionicsausgabe natürlich noch nicht aktualisiert ist. Langsam tasten wir uns voran an den grünen Tonnen der Einfahrt, dann erkennen wir im Mondschein das Ankerfeld der Yachten. Unser Anker fällt nach 3550 Meilen und 28 Tagen seit Penang morgens um 3.45 Uhr, wir teilen uns ein kleines Ankunftsbier und fallen beide todmüde in unser uns auf einmal riesig und super bequem erscheinendes Bett.

Vorhergehende Reise – Blogs:

Nachfolgende Reise – Blogs:

6 Gedanken zu „Indischer Ozean und Golf von Aden“

  1. Hallo Angela und Reto
    Schön von euch zu lesen, es freut mich, dass ihr diese nicht ungefährliche Reise gut überstanden habt. Wie sehen denn eure zukünftigen Pläne aus? Gehe davon aus, dass ihr schon bald den Suezkanal durchquert und euch im Mittelmeer einfinden werdet. Alles Gute und weiterhin eine sichere Reise mit vielen positiven Erlebnissen auf die wir uns freuen zu lesen.
    Liebe Grüsse Christian und Ruth

    Antworten
    • Liebe Ruth, lieber Christian,
      so wie die Winde es zulassen ziehen wir weiter in Richtung Norden. Zur Zeit bläst es mit gut 30 Knoten in Böen, da bleiben wir hübsch vor Anker ;-), aber Schritt für Schritt gehts in Richtung Suez ;-).
      Liabi Grüass ind Heimat!
      Angela und Reto

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  2. Diese Berichte zu lesen ist für mich wie ein gutes Buch es ist Euser’s Interessant auf den Malediven wahren wir schon 2mal.
    Wünschen weiterhin alles gute und eine Spannendes Segeln .

    Antworten
    • Lieber Leo, wow, es ist sicher wunderschön auf den Malediven. Es hat uns schon sehr gereut nicht anzuhalten, aber Yachten, die nach uns dort losgefahren sind, haben uns bestätigt, dass unsere Entscheidung richtig war, denn sie mussten sehr viel motoren…
      Vielen Dank, spannend wird es jetzt wieder ab Samstag, der Wind nimmt ab, kommt aber immer noch aus Nord… und ein paar Tage später hocken wir dann wiederum irgendwo fest und warten… Liebe Grüsse Angela und Reto

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  3. Hi ihr Wassersportler, danke fuer Euren tollen Bericht aus meinen altem Fahrgebiet. War dort in den 70igern auf Frachtern unterwegs. Schon damals hatten wir mit Piraten und Gelegenheitsschmugglern zu tun. Hat sich also nicht viel geändert . Weiterhin viel Glück und immer ne handbreit Wasser unterm Kiel. Ciao helmut

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    • Lieber Helmut, wow, das klingt ja auch spannend! Es ist uns erst jetzt so richtig bewusst geworden, dass auch die Frachter ganz schön mit den Piraten und Gelegenheitspiraten zu tun haben, immer noch! Wir dachten nur wir kleinen langsamen Segler sind irgendwie ausgesetzt und waren aber sehr froh, dass wir oft einen ganzen Haufen grosser Frachter um uns herum hatten 😉 Viele von ihnen sind heute bewaffnet, die haben dann im AIS unter Destination „Armed guards on board“ stehen..
      Vielen Dank für Deine Wünsche, am Wochenende geht es weiter in Richtung Nord..
      Liebe Grüsse
      Angela und Reto

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