Vom Peloponnes südlich Euböa durch die Brücke von Chalkis zu den Nördlichen Sporaden
Von Poros nach Chalkis
Morgens um 7 Uhr hören wir Michael quer durch den Bootsparkplatz rufen „ Captain, Captain, are you ready?“. Kurz darauf startet er den Motor. Der Trakor, der den Trailer bewegt, auf dem die SHE SAN seit gestern steht, fängt an zu vibrieren. Irgendetwas raunzt, der Trailer hebt das Schiff an, wir bewegen uns in Richtung Wasser.
Trailer mitsamt SHE SAN fahren die Böschung hinunter ins Wasser, kurz darauf ruft Micheal „Captain, start the engine“. Wie mit Geisterhand, so kommt mir vor, bewegt sich der Trailer unter der SHE SAN heraus. Micheal und Reto fahren beide rückwärts, die SHE SAN ist „frei“ und schwimmt wieder.
Schnurstracks geht es in Richtung Athen, leider unter Motor, der Wind ist erst für den Nachmittag angesagt. Bei Sounio überlegen wir den Poseidontemple zu besuchen, verschieben es aber für ein anderes Mal, wenn es ruhiger ist und weniger Wind aus Süd bläst. Reto opfert einen ordentlichen Schluck Rum, die Götter müssen schliesslich besänftigt werden.
Wir umrunden das Kap und bald auch den Südzipfel von Makronisos. Ganz im Nordosten dieser langen, den Hafen Lavrion nach Osten beschützenden Insel befindet sich die kleine nach Süd und West geschützte Bucht Ormos Vathi Avlaki. Wir werfen den Anker direkt vor dem hübschen Strand auf 4 Metern und freuen uns wie die Kinder auf das Wasser. Bei 35 Grad Aussentemperatur sind uns die 28 Grad Wassertemperatur gerade noch erfrischend genug.
Ein grosses Tief zieht über Nordeuropa, die hier üblichen Nordwinde haben gerade Pause und ab dem Mittag ist Südwind angesagt. Wir setzen den Parasailor und dümpeln langsam in Richtung Norden. Dann stellt der Wind ganz ab, der Parasailor fällt fast ins Wasser, schleunigst bergen wir ihn mit dem Schlauch.
Nicht viel später setzt der Wind schlagartig wieder ein und wir rollen den Screecher aus. Bei gut zwanzig Knoten kurz vor der Engstelle zischen dem Festland und Euböa bekommen wir Respekt und tauschen den Screecher gegen die Fock. Diese können wir jederzeit reffen und bei Winddrehern relativ einfach schiften.
Wir erhalten einen DSC Ruf am Funk, können jedoch keine Meldung empfangen und verstehen die Crew selbst nicht. Die Coast Guard wiederholt, was sie verstanden hat. Ein deutscher Skipper ist mit starken Blutungen verletzt und die Crew benötigt Assistenz, um das Schiff in die Bucht zu fahren und zu ankern. „Kann denn niemand anderes an Bord das Schiff steuern?“ Fragt der Beamte der Küstenwache mit einem gewissen Unverständnis. „Was wird dort wohl passiert sein“ fragen wir uns. Wir ermahnen uns selbst, noch vorsichtiger zu sein. Gerade haben wir von einer Segelfreundin erfahren, die kurz vor der Ankunft in Indonesien eine schwere Kopfverletzung, einen offenen Bruch am Arm, zwei gebrochene Finger und eine ausgekugelte Hüfte erlitten hat. Was für ein Horror auf hoher See!
Tatsächlich frischt es zwischen Nikos Parthenopi und Nikos Pisinoi und dem Festland nochmals auf. Wir fahren absichtlich gerade durch über die 16 Meter Untiefe, denn ich erhoffe mir einen frisch gefangenen Fisch zum Abendessen. Leider wieder nichts. Die letzten Meilen bleiben sehr böig, doch mit nur 45 Quadratmeter Segel sind wir ganz entspannt.
In der fast rundherum vor Wellen geschützten Bucht Ormos Boúfalo kommen vereinzelte Böen an, die die bereits ankernden Schiffe hin und her drehen. Ganze drei Mal müssen wir unseren Anker werfen, bis wir keinem der anderen zu Nahe stehen. Dann endlich der heiss ersehnte Sprung ins 28 Grad warme Wasser, ich durchquere die Bucht bis zur kleinen Sandbarre und zurück.
Die Brücke von Chalkis
Das Tief beherrscht weiterhin Europa und bringt am nächsten Tag Gegenwind aus West. Morgens sollte dieser noch weniger stark sein, sagt der Wetterbericht. Wir gehen früh Anker auf und können das nicht wirklich feststellen. Im zweiten Reff kämpfen wir uns nach und nach in Richtung Westen. Der Südliche Euboische Golf wird nach Westen hin schmäler, das beschleunigt den Wind nur noch mehr, in Spitzen lesen wir neunundzwanzig Knoten scheinbaren Wind ab.
Anstatt vierundzwanzig Meilen direkter Weg nach Chalkida segeln wir fünfundvierzig Meilen und sind ganze zehn Stunden unterwegs. Ein erstes Highlight ist die Durchfahrt unter der neuen Brücke zwischen dem Festland und Euboa, eine moderne Hängebrücke.
Das absolute Highlight allerdings ist die Durchfahrt an der alten Brücke von Chalkis/Chalkida. Dies ist eine alte Eisenbrücke, die nur nachts ein Mal kurz geöffnet wird, um die wartenden Schiffe durch zu lassen. Wir ankern in der Nähe der Brücke und machen das Dinghy in dem kleinen Fischerhafen fest. Auf der anderen Seite finden wir die Chalkis Port Authorities, bei denen wir uns bei einer freundlichen jungen Dame für die Durchfahrt anmelden und EUR 35 bezahlen.
„Hört ab 21 Uhr den Funk auf Kanal 12 ab. Wenn es soweit ist, werdet ihr aufgerufen. Wann genau kann man nicht sagen, da die Strömung nicht voraussehbar ist. Gestern war es um ein Uhr nachts, heute vielleicht eine halbe Stunde später, aber sicher ist es nicht“ erklärt sie uns. Es scheint ein spezielles TIdenphänomen zu sein, das niemand so richtig erklären kann. Auf jeden Fall ist die Strömung an der Brücke stark. Hier die offizielle Seite für weitere Infos zum Transit.
Wir genehmigen uns ein klassisches griechisches Gyros und zwei Mamos Biere und legen uns um neun Uhr schlafen. Der Funk ist auf höchster Stufe eingestellt, damit wir ja nicht verpassen, wenn wir aufgerufen werden. Leider haben nicht alle die Anweisungen der Lady verstanden. Immer und immer wieder fragt jemand über Funk nach: „When does the bridge open?“
Wir dösen weiter bis um ein Uhr tatsächlich Schiff für Schiff aufgerufen werden, zu guter Letzt auch die SHE SAN. „Get ready but stay where you are, we will call you again“. Motoren an, Anker hoch. Als erstes darf der Frachter durchfahren, innerhalb von nur wenigen Minuten werden alle zwanzig Schiffe nochmals aufgerufen.
Als vorletztes passieret die SHE SAN die nur vierzig Meter schmale Stelle. Das Ufer auf beiden Seiten ist voller Menschen, die uns zuwinken. Ich bin baff, immerhin ist es jetzt ein Uhr fünfzehn in der Nacht! Das Nachtleben ist voll im Gange und das an einem Montag Abend. Direkt hinter uns schliesst die Brücke
Während alle anderen Schiffe hinter der Brücke anlegen, fahren wir weiter. Es hat leichten Wind aus Südost, wir setzten den Screecher und dümpeln mit 2.5 Knoten Geschwindigkeit durch den vom Mond und den Lichtern an Land beleuchteten Nördlichen Euböischen Kanal.
Als ich nach zwei Stunden Wache an Reto übergebe, versuche ich ihm meine Strategie zu erklären. „Das Ziel ist um 9 Uhr hinter der Engstelle zu sein, sonst motoren wir vor dem Wind davon. Wir haben ganze fünf Stunden Zeit für zehn Meilen“. Leider stellt bei ihm der Wind ganz ab, er startet den Motor. „Ja, du bist mir aber ein feiner Kamerad“ schimpfe ich vom Schlafplatz hinter dem Esstisch, „so kann ich doch nicht schlafen!“. Er stellt den Motor wieder ab.
Zwei Stunden später sind wir nur zwei Meilen weiter, Reto ist sauer. Doch mein Plan geht auf. Am Morgen frischt es auf, wir reffen. Nach der Engstelle ist der Wind wieder fast weg. Das ganze wechselt ein paar Mal hin und her, wir reffen ein und wieder aus. Wir kommen aber gut voran, ohne kreuzen zu müssen.
Nachmittags um 16 Uhr umrunden wir Monolia, doch wir sind enttäuscht. Hinter der flachen Insel gibt es keinen Schutz vor dem Wind und ich sehe hunderte von grossen Quallen. „Hier gehe ich nicht ins Wasser“, wir motoren noch zwei Meilen weiter. Weiter nördlich, hinter der westlichsten Nase von Euböa ankern wir auf vier Meter auf Sand vor einen hübschen Strand und ruhen uns aus von dem langen Segeltag.
Durch den „Teufelskanal“ Dhiavlos Oreon
Um 5 Uhr 15 klingelt der Wecker, es ist stockfinster. Der Himmel ist ausnahmsweise mal wolkenverhangen. Als wir den Anker einholen, muss ich aufpassen, das kleine Fischerbötchen neben uns nicht zu überfahren. So ein Netz im Antrieb brauchen wir jetzt nicht. Unter Motor schummeln wir uns durch den „Dhiavlos Oreon“. Ich dachte, dass „Dhiavlos“ Teufel heisst, denn gemäss Wetterbericht pfeift der Wind hier immer besonders durch. Erst bei genauem Blick sehe ich, dass auch die anderen Kanäle hier mit „Dhiavlos“ bezeichnet sind und verstehe, dass es „Kanal“ heisst.
Bis zum Leuchtfeuer sind wir im Windschutz, danach blasen uns bis zu 20 Knoten in Böen an. Logisch, das ist die letzte Engstelle des Kanals, hier muss alles durch. Zudem sind die Berge hier am höchsten. Acht Meilen weiter öffnet sich der Kanal in Richtung Norden, dort ist der Wind weg. Im Dhiavlos Trikeri versuchen wir zu segeln, doch wir machen hin und zurück fast den gleichen Track. Die Strömung ist so stark, dass unser Wendewinkel nahezu 180 Grad beträgt. Mit beiden Motoren kämpfen wir uns bis ans Nordende von Euböa und segeln erst die letzten acht Meilen bis Skiathos. Um ein Haar werden wir von zwei Charterseglern über den Haufen gefahren, die unsere Vorfahrt missachten und unsere Geschwindigkeit unterschätzen.
In der Südbucht Platana werfen wir den Anker auf einem vermeintlichen Sandpatch, der sich im Nachhinein als Felsen herausstellt. Kein Wunder schleift der Anker bis er sich abrupt in einem Felsen verhakt. Trotz 10 Metern sieht man jedes Detail am Grund, das Wasser ist sensationell klar! In der Bucht herrscht Ferienstimmung, die Wassersportboote umkreisen die SHE SAN, doch in der Nacht und am Morgen herrscht eine herrliche Ruhe.
Die letzten fünf Meilen bis Skiathos Stadt motoren wir gegen den Wind. Wir telefonieren mit dem Verantwortlichen für den Hafen und erfahren, dass von Freitag bis Sonntag kein Hafenplatz zu ergattern ist, denn dann ist der Platz nur schon für all die Charterschiffe viel zu wenig. Ich bin erleichtert, denn ich bin viel lieber vor Anker als in irgendeinem Hafen. Wir biegen vor der Stadt ab in die kleine Bucht, wo schon einige Segler stehen und finden zwischen dem Strand und den anderen Schiffen ein Plätzchen.
In der Ecke am öffentlichen Strand ist es einfach mit dem Dinghy anzulanden. Wir waschen unsere salzigen Füsse mit Frischwasser und montieren die Turnschuhe. Wir erkunden die Einkaufsmöglichkeiten zu Fuss und besichtigen die Altstadt und den Hafen von Skiathos. Mein Bauchgefühl wird bestätigt. Der Schwimmpontoon, an dem die Besucheryachten unter der Woche festmachen dürfen, ist alles andere als ruhig sowohl in Bezug auf die Bewegung im Wasser als auch akustisch.
Es ist Hochsaison, die Stadt brummt, die Restaurants neben dem Pier sind voll mit Touristen. Wir geniessen ein grosses Mythos Bier bei Seriphos, der schon mal in München gelebt hat und dort Sepp genannt wurde und verziehen uns im Anschluss wieder auf unser Schiff in die vergleichsweise ruhige Bucht.
Am nächsten Morgen bläst der Wind aus einem anderen Winkel. Unser Anker slippt, wir kommen dem Katamaran hinter uns schrittweise näher. Als wir noch 20 Meter von ihm entfernt sind, gehen wir Anker auf und suchen nach einem anderen Flecken Sand. Diesmal klappt es. Der Anker hält in den zwei mal zwei Metern, die frei von Seegras sind. Besser ist das, erwarten wir die nächsten Tage bis zu 30 Knoten Wind.
Vorhergehende Reiseberichte:
Schön ist die She San und ihr wieder auf dem Wasser! Euer Törn durch Griechenland erinnert uns an die Zeit, wo wir noch Meilen sammeln mussten für den Segelschein, und dann später, wo wir in Lavrion selber unser erstes Boot gemietet haben.
Habt eine schöne Zeit – happy sailing!
Köbi
SY Lupina, z.Zt. in Australien
Ihr Lieben, schön mal wieder mit euch zu reisen.
Hab mich gefragt, wo eure Reise hingegangen ist…..
Selbst hocke ich grad garnicht weit von euch entfernt, aber mit Erde unter den Füssen auf Korfu. Auf irgendwann einmal in Graubünden !
Herzlich Eva
Liebe Eva,
ja, es freut uns auch sehr, mal wieder von Dir zu hören. Wir haben uns vorgenommen, auch in der Zukunft immer wieder den ein oder anderen Segelreisebericht zu posten, um eine gute Balance zwischen Technik, Tips und Tricks zum Leben an Bord und Reiseberichten zu bekommen.
Es würde uns sehr freuen, Dich in Graubünden bald mal wieder zu sehen!
Herzliche Grüsse
Angela und Reto