Einreise in Griechenland und Segeltörn im Juni 2023
Anlegen als „Einhandseglerin“
Von Bodrum her motoren wir die 25 Meilen nach Kalymnos, Reto hisst die blau weisse griechische Flagge, nach 8 Jahren Weltumsegelung ist die SHE SAN zum ersten Mal wieder in der EU. Kurz vor der Hafeneinfahrt kommen uns zwei Piratenschiffe entgegen, die touristische Variante, von der lediglich ein akustischer Überfall zu erwarten ist. Wir platzieren Fender auf beiden Seiten, erspähen einen Platz an der Mole und stellen erleichtert fest, dass zwei Helfer bereits warten, um unsere Festmacher anzunehmen.
Das ist auch gut so, denn ich bin im wahrsten Sinne des Wortes „Einhandseglerin“. Wenige Tage zuvor hatte ich beim Wandern eine Begegnung mit einer Schlange, die erschreckt durch einen kleinen Hund auf mich und meine Freundin zu schoss. Das in Sekunden abgelaufene Ausweichmanöver resultierte in einer gebrochenen Elle und wahrscheinlich einem Riss der Kreuzbänder am rechten Knie.
Ich werfe den Anker auf sieben Metern, Reto fährt rückwärts bis kurz vor die Lücke und prüft, ob der Anker hält. Wir erwarten sechs Beaufort aus Südost, da darf er nicht slippen. Dann gebe ich Kette bis wir kurz vor dem Betonkai sind und werfe so gut es geht mit einer Hand den Festmacher. Natürlich fällt er beim ersten Versuch ins Wasser. Hektisch fische ich ihn wieder mit einer Hand heraus, bevor er in die Schraube kommt. Jetzt wäre eine Schwimmleine clever gewesen. Der Nachbar auf dem Motoryacht neben uns ruft „somebody should help that poor lady, she’s injured!“. Ich werfe zum zweiten Mal, diesmal klappt es. Der Helfer schlauft den Festmacher durch den Ring und gibt ihn mir zurück. Mit Hilfe der Zähne und Füsse hole ich ihn dicht und mache den Kopfschlag auf die Klampe. Alles andere danach ist einfach.
Langsam gehen wir um das Hafenbecken einmal herum, mein Knie gewöhnt sich vorsichtig an das Gehen geradeaus. Nur Treppen steigen geht noch nicht gut. Der freundliche Beamte in der Hafenbehörde stempelt unsere Crewliste einmal ab und schickt uns zur Hafenpolizei zur Passkontrolle. Zurück in Schengen, wir bekommen keinen Stempel in den Pass, nach fünf Minuten sind wir „eingereist“.
Reto lobt die beiden Beamten „You are very efficient!“ und meint, normalerweise würde das viel länger dauern.“. „Ja, wo denn das?“ frägt der eine der beiden nach. „Zum Beispiel in Indonesien, da haben wir insgesamt anderthalb Tage gebraucht und alleine bei der Einwanderungsbehörde waren es anderthalb Stunden. Der Beamte lacht herzlich und klopft sich auf die Schenkel.
Doch ganz so reibungslos geht es auch in Kalymnos nicht. Zurück im Gebäude der Hafenpolizei schickt man uns zum Zoll. Als dort niemand ist, meint der Hafenpolizist „ihr seid ja jetzt legal im Land, kommt doch morgen wieder, um die Papiere für das Schiff zu machen“. Erschöpft setzen wir uns ins nächste Café und warten darauf, dass der Vodafone Shop öffnet. Die Öffnungszeiten sind für uns ungewohnt: 9-14 und 17.30 bis 21 Uhr. In Griechenland ist die Mittagspause heilig und vor allem lang! Dafür gibt es ein erstes Mythos zur Feier des Tages!
Am nächsten Morgen nimmt der Wind langsam zu. Bis Mittags zerren fünf bis sechs Beaufort an unserer Ankerkette. Ich bin heilfroh über unseren guten Rocna, der keinen Zentimeter nachgibt. Das Glück haben nicht alle. Während Reto sich den Vormittag mit den verschiedenen Beamten vom Zoll amüsiert, von denen ein jeder etwas anderes sagt, positioniere ich einhändig die Fender neu. Das benachbarte Motorboot steht schräg und ist kurz davor, auf die SHE SAN aufzuschlagen. Nach einer gefühlten Ewigkeit kommt der Besitzer und nimmt seine Kette dicht. Meter über Meter verschwinden im Ankerkasten, doch das Schiff hängt immer noch mit dem Heck am Pier und dem spitzen Bug neben der SHE SAN. Ich bin sehr erleichtert, als er endlich seine Heckleinen löst, Anker auf geht und sich in die andere Ecke des Hafens verzieht.
„Höhe gewinnen“ durch die Südlichen Sporaden
Als der Spuck vorbei ist, kommen Katerina und Björn an Bord. Schade eigentlich um den nicht genützten Südwind, denn jetzt haben wir den Wind auf der Nase. Hart am Wind kreuzen wir um das Südwesteck von Kalymnos und verlegen uns 8 Meilen weiter nördlich in die idyllische, von allen Seiten geschützte Ormos Emporio. Wir werfen den Anker vor dem hübschen kleinen Ort mit der weiss getünchten Kirche und den typisch griechischen weissen Häusern mit den blauen Fensterläden. Die zerklüfteten Felsen oberhalb des Dorfes deuten darauf hin, dass wir hier auf der Westseite von Kalymnos im absoluten Mekka für Kletterer sind.
Nach einem frühen Start segeln wir hart am Wind parallel zur Westküste von Kalymnos und Leros. Am Nachmittag soll der Wind stark zunehmen, da möchten wir am geschützten Ankerplatz sein. Doch um die Mittagszeit flappen die Segel, der Wind ist weg. Das Blechsegel muss die restlichen Meilen bis in den Süden von Arkoi leisten. Ich frage mich, warum ich den Wetterbericht überhaupt noch ansehe.
Mit polarisierter Sonnenbrille klettere ich in den Ausguck, wir tasten wir uns vorsichtig über die nur 1.70 Meter tiefe Sandbarre. Auf der einen Seite stehen schon einige Yachten vor Anker und mit dem Heck mit Landleinen festgemacht. Auf unserem Speiseplan steht heute Grillen, da möchten wir lieber im Wind schwoien. Im drei Meter tiefen Becken positionieren wir uns mittig und finden unseren Platz. Das dachten wir zumindest.
Während Katerina und Björn mit dem Paddelbord die Gegend erkunden, schauen Reto und ich sorgenvoll in den regnerischen Himmel. Nach zwei Stunden bläst es so ungemütlich durch die Mulde in den angeblich schützenden Hügeln, dass wir Anker auf gehen. Auf der Suche nach einem weniger böigen Platz drehen wir eine weitere Runde durch die karge Inselwelt. Südlich hinter einer Insel in der „zweiten Reihe“ ist die Wasseroberfläche deutlich ruhiger. Erleichtert geniessen wir die Stille und Idylle der Bucht, nur das Meckern der Ziegen ist zu hören.
Am Morgen setzen das Grosssegel bei gut 20 Knoten Wind gleich mal ins zweite Reff. Mit gut sieben Knoten in Richtung Nordost und einer leicht ruppigen Welle gegen an sind alle wach. Auf dem anderen Bug in Richtung Nordwest nimmt die Welle im Schutz der Inseln bald ab, der Wind leider auch. Erst kurz vor Fournoi frischt er nochmal zünftig auf, wie auf Schienen geht es dahin bis kurz vor die Einfahrt der für die Nacht ausgewählten Bucht.
Anstatt 15 Meilen direkter Weg haben wir 30 Meilen auf dem Log. „Doppelter Weg und dreifache Zeit“ stimmt in diesem Fall nur halb, denn viel mehr wie 6 Stunden haben wir für die 30 Meilen nicht gebraucht.
Wir erfreuen uns an dem Blau des glasklaren Wassers und geniessen den sonnigen Nachmittag mit Trinkwasser machen, Baden und Paddeln. Der Abendhimmel leuchtet verheissungsvoll, doch gehen wir kurz nach der Dämmerung schlafen. Ein langer Schlag in Richtung Westen ist angesagt.
Mit Volldampf in Richtung Westen
Der Wecker klingelt um fünf Uhr, um zehn nach fünf gehen wir bereits Anker auf. Leider ist die Bucht so klein, dass wir uns nicht trauen, das Gross zu setzen. Direkt ausserhalb blasen uns bis 25 Knoten um die Ohren. Wir motoren, um etwas Abstand zu gewinnen bis der Wind auf unter 20 Knoten abnimmt und setzen gleich das zweite Reff. Eine weise Entscheidung. Mit halbem Wind rasen wir mit gut acht Knoten Geschwindigkeit in Richtung Mykonos, das macht richtig Spass!
Doch leider bleibt es nicht dabei. Als wir der bergigen Insel Ikaria näher kommen, nimmt der Wind ab, wir schütteln die Reffs aus den Segeln. Mit weniger als drei Knoten herum zu dümpeln, können wir uns nicht erlauben, denn der nächst mögliche Ankerplatz ist noch vierzig Meilen entfernt. Unter Motor mit Böen aus allen Richtungen kämpft sich Reto bis zur Westspitze von Ikaria. Dort blasen plötzlich wieder über 20 Knoten. „Alle Mann an Deck zum Reffen“ ruft Reto energisch. Hastig verräumt die Crew Gläser, Sitzpolster und Sonnencremes und hilft zwei Reffs in Fock und Gross einzubinden. Im Anschluss flitzen wir wie schon am Morgen mit bis zu 9 Knoten bei wenig Welle.
In Höhe Mykonos frischt die Brise auch wieder auf, doch anders als bei der hohen Insel Ikaria ist der Wind im Windschatten des flachen Mykonos beständig. Etwas weiter westlich liegt Delos. Wir lesen, dass man dort nur tagsüber ankern darf. Neugierig googeln wir, was es damit auf sich hat: der Mythe entsprechend galt Delos als Geburtsort der Artemis und des Apollon und wurde schon im letzten Jahrtausend vor Christus von allen Griechen als grösstes Heiligtum verehrt. Damals schon wurden alle Geburten, Todesfälle und Bestattungen auf der Insel verboten. Heute ist die Insel bis auf die Parkwächter unbewohnt.
Südlich von Delos taucht plötzlich eine ganze Schar von Katamaranen hinter uns auf. Alle haben sie wie wir die Fock und das Gross gesetzt, sind aber schneller als wir. Wir sehen uns um und prüfen unsere Segelstellung. Was machen wir falsch? Erst dichter dran verstehen wir, dass die Schiffe alle unter Motor fahren. Sie haben das gleiche Ziel wie wir, Ormos Porteos im Süden der Insel Rineia.
Tatsächlich ist die hübsche gut geschützte Bucht bei unserer Ankunft um 17 Uhr immer noch voll mit Partybooten und vielen anderen Tagesausflüglern. Wir tasten uns neben den Badenden eines Katamarans vorsichtig in den türkis blauen Bereich auf drei Meter Wassertiefe und werfen unseren Anker für die Nacht vor dem hübschen Strand. Als die Gäste des nur einen Meter längeren Kats aus dem Wasser klettern, staunen wir nicht schlecht – es sind zwanzig Personen! Diese werden erst noch von der Crew verköstigt, bevor sie unter lauter Musik an Deck tanzend die Bucht verlassen. Dann kehrt Ruhe ein. Zurück bleiben eine Hand voll Segelboote und eine grosse Motoryacht.
Nach dem Frühstück setzen wir im äusseren Teil der Bucht das Grossegel. Erst dann merken wir, dass der Wind immer noch mit 5 bis 6 Beaufort bläst, der Schutz in der von uns ausgewählten Bucht war demnach hervorragend.
Wir setzen Kurs auf das Südostende von Kithnos. Mit halben Wind und zwei Reffs im Gross fliegen wir förmlich die 41 Meilen in Richtung West. Zufällig sitze ich gerade vor dem iPad als die SHE SAN eine Geschwindigkeit von 9.9 Knoten erreicht – ich strahle übers ganze Gesicht, als ich es per Print Screen dokumentiere und rufe freudig: „ich hab es, ich hab es!“. Nach gut fünf Stunden haben wir das Ziel erreicht und fast acht Knoten Durchschnittsgeschwindigkeit geloggt.
Stachelige Eindringlinge im Mittelmeer
Kurz vor Eingang zur südlichsten Ankerbucht in Kithnos nehmen wir hurtig die beiden Fischerleinen rein. Schade, dass wieder kein Fisch gebissen hat. Eine 50 Fuss Kielyacht verlässt die Bucht, denen war es wohl zu ungemütlich hier. Der Schwel reicht weit in die Bucht hinein. Ich bin trotzdem zuversichtlich, dass wir einen Platz finden. Wir tasten uns vor bis kurz vor den Strand, um den Anker so nahe wie möglich zu werfen, aber dennoch einen sicheren Schwoikreis zu haben. Es klappt. Wir stehen mit zwanzig Meter Kette plus zehn Meter Hahnepot auf vier Meter Wassertiefe und haben kaum Schwel und leichten Wind. Wir sind zufrieden mit dem Schutz für die Nacht.
Dieser scheint nicht so schlecht zu sein, denn am Abend kommt noch ein Fischerboot, um die Nacht hier zu verbringen. Katerina ruft ihnen begeistert zu: „Do you have fish?“ Da die Fischer kein Beiboot haben und unser Dinghy noch festgezurrt ist, paddelt sie mit einem Eimer bewaffnet auf dem Paddelbord zu ihnen hinüber. Nach kurzer Verhandlung kommt sie freudestrahlend mit vier Fischen zurück. Es sind zwei Papageienfische (ich wusste gar nicht, dass es die im Mittelmeer gibt) und zwei Feuerfische (diese sind tatsächlich erst vor 8 Jahren ins Mittelmeer „eingewandert“).
Die Feuerfische kennen wir aus der Karibik. Auch dort waren sie nicht heimisch und haben die Fischpopulation bedroht, da sie keine natürlichen Feinde hatten. Ein ähnliches Problem entsteht zur Zeit im Mittelmeer, somit ist der Verzehr von Feuerfischen ein Beitrag zur Rettung der heimischen Fischpopulation. Schnell finde ich das Bild, auf dem beschrieben ist, wo die 18 giftigen Stacheln sind. Katerina assistiert Reto beim Entfernen der Stacheln, wir zählen alle mit. Dann noch Ausnehmen und Schuppen. Das ist bei so kleinen Fischen Ret’s Job. Wir einigen uns auf die Zubereitung im Ofen und vierzig Minuten später lassen wir uns die leckeren Fische schmecken.
Ein weiterer langer Segeltag bringt uns die letzten 43 Meilen nach Westen. Zuerst geht es mit raumschotigem Wind um die Südspitze von Kithnos, dann freuen wir uns über gute Geschwindigkeit am Wind, bis kurz vor dem Peloponnes der Wind wieder schwächer und achterlicher wird, um dann ganz einzuschlafen. Am Ende unterstützt der Motor, das Timing ist perfekt. Wir laufen um 18 Uhr in das türkiesblaue Wasser zwischen Nisos Spathi und Nisos Gali am östlichsten Ende des Peloponnes ein, gerade als die Tagesausflügler für uns Platz machen und zurück nach Poros dampfen.
Wir geniessen ein letztes Mal das kristallklare Wasser, ich mit meinem Gipsarm leider nur visuell. Nach dem Abendessen leuchtet der Sternenhimmel und wird nur durch unser blinkendes Ankerlicht gestört. Zum ersten Mal sehe ich einen seltsamen leuchtenden Wurm über den Himmel ziehen. „Das ist Starlink“ erklärt mir Reto.
Der letzte Schlag nach Poros sind nur mehr zehn Meilen, wir segeln hart am Wind gegenan, stehen mittags mit Flaute beigedreht und werden auf den letzten Meilen in der Nachmittagsbrise sogar noch von zwei grossen Delphinen begleitet. Ein krönender Abschluss sozusagen. Auch die Einfahrt durch den teils nur 30 Meter schmalen Kanal neben dem pittoresken Städtchen Poros ist ein absolutes Highlight dieser geradezu perfekten Segelreise.
Wenn auch Du Interesse hast, einmal mit uns mitzusegeln, hier findest Du weitere Infos oder schreib uns einfach eine Email an CatamaranSheSan(at)gmail.com
Super Beitrag, macht wirklich Lust zum Mitreisen!! Ob mir das in diesem Leben mit all meinen Handicapsnoch gelingt? ich arbeite dran…
Das hoffen wir doch unbedingt!! Wir würden uns sehr freuen!! Ganz liebe Grüsse Angie und Reto
Super Angie !!!
Merci d’avoir recommencé à poster des articles sur votre blog.
On adore vous lire, que du bonheur.
Bisous de Milke
Vielen lieben Dank, schon bald wird es eine neue Segelgeschichte aus der Ägäis geben 😉
Ganz liebe Grüsse Angie und Reto