Lithium auf Segelbooten: 3. Einbau

Du brauchst neue Batterien für dein Segelboot, Wohnmobil oder die Alphütte und machst dir Gedanken wie das Umsetzungskonzept für Lithium auf Segelbooten aussieht? Dann bist Du hier richtig 😉

In der vierteiligen Artikelserie beschreibe ich (Reto) die Umrüstung auf Lithium Batterien für ein Segelboot auf unserem Katamaran SHE SAN.
Im ersten Teil wurden die Vorteile und die Kosten von Bleibatterien gegenüber Lithiumbatterien aufgezeigt.
Im zweiten Teil beschreibe ich das Konzept der Installation und weise auf die typischen Hindernisse und Probleme hin.
Im vierten Teil beschreibe ich unsere Erfahrungen nach 3.5 Jahren nach Einbau.

Im folgenden Teil 3 beschreibe ich Einbau und Einstellung der Parameter. Ebenso gehe ich auf spezifische Probleme bei der Inbetriebnahme ein.

Falls du eine Drop in Batterie verwendest, weise ich auf die Unterschiede im entsprechenden Kapitel hin.

Vorbereitung

Nun stehen sie also auf dem Schiff. 12 Stück LiFePo Zellen mit einer Kapazität von je 180Ah. Diese sollen in 3P4S (3 Parallel 4 Serie, siehe Teil 2) verschalten werden.

Die wichtigste Frage am Anfang ist, ob ein Zellenausgleich gemacht werden muss. Das heisst alle Zellen auf die gleiche Spannung bringen, damit beim Verschalten keine hohen Ausgleichsströme fliessen.

Es empfiehlt sich, wenn möglich Zellen mit einer fortlaufenden Seriennummer zu kaufen. DIese haben annähernd die gleichen physikalischen Eigenschaften und laden bzw entladen sich fast gleich. Das wirkt sich im Betrieb positiv auf das Zellen Balancing aus. Zudem entfällt in der Regel auch ein manueller Zellenausgleich zu Beginn.

Bei DropIn Batterien empfehlen die Hersteller, die Batterie vor dem Einbau zu entladen und dann voll zu laden.

Ausmessen der Zellen und Definieren des Packs

Alle 12 Zellen werden mit einem Digital Multimeter durchgemessen. Dabei werden die Messresultate den Seriennummern zugeordnet notiert. Da wir eine 3P4S Konfiguration aufbauen, werden jeweils 3 Zellen parallel geschaltet. Danach werden die entstehenden 4 Pack in Serie zu einem 12V System verschalten.

Wichtig ist es nun, dass die Zellen die parallel verschalten werden, möglichst die gleiche Zellenspannung haben. Aus der erstellten Spannungstabelle können nun die Zellen mit den ähnlichsten Spannungen zusammengestellt werden. Eine Spannungsdifferenz der Zellen von 0.05V kann direkt verschalten werden.

Falls die Spannungsdifferenz der Zellen grösser ist als 0.05V müssen die Zellen vor dem Verschalten z.B. mit einem Netzteil auf die gleiche Spannung gebracht werden.

Das Resultat sind 4 Packs mit je 3 Zellen.

Beim Einsatz von DropIn Batterien sind die Zellen in dem Gehäuse schon fix verschaltet. Viele dieser DropIn Batterien haben zusätzlich eine App mit der über Bluetooth die Parameter der Zellen angeschaut werden können. Die App zeigt auch Ladestatus, Spannung, Zellenspannung, Strom etc. an.

Testaufbau

Am Installationsort ist es meist eng und unübersichtlich. Um das ganze System zu testen, empfiehlt es sich eine einfache Konfiguration mit dem BMS und den Unterbrechern im Cockpit in Betrieb zu nehmen und zu testen. Es reicht, wenn man dazu 4 Zellen in Serie schaltet, da sich die Spannung nicht ändert, wenn man zusätzliche Zellen parallel schaltet.

So kann einfach überprüft werden, ob das Batteriemanagement ordnungsgemäss arbeitet. Es empfiehlt sich auch gleich die wichtigsten Parameter einzustellen.

Das gleiche Vorgehen empfiehlt sich natürlich auch für Drop Ins.

Mit dem Testaufbau im Cockpit lassen sich alle Funktionen vorab testen

Installation

Wichtig: Sicherheit!

Zuerst möchte ich nochmals erwähnen, dass die norlamerweise auf Booten eingesetzten LiFePO4 Lithium Batterien sehr sicher sind. Es gibt keine dokumentierten Unfälle wo LiFePO4 auf einem Boot gebrannt haben. Falls du andere Informationen hast, schreibe mir doch bitte.

Beim Einbau und Zusammenschalten der Zellen, aber auch bei fertigen DropIn Batterien muss sichergestellt werden, dass kein Kurzschluss entsteht. Ein Kurzschluss kann entstehen, wenn z.B. ein metallisches Werkzeug mit Plus- und Minuspol Kontakt macht. Dieses verschmelzt sich durch die hohen Ströme und die entsprechende Hitze sofort mit den Polen und kann nicht mehr entfernt werden.

Ein Kurzschluss bei einer Zelle endet im Desaster und die Zerstörung der Zelle ist neben weiteren Schäden vorprogrammiert. DropIns haben meist im internen Batterie Management einen Kurzschluss Schutz. Trotzdem sind auch hier Kurzschlüsse nicht gerade gesund für die Batterie.

Hier ein Test, was beim Kurzschliessen einer LiFePO4 passiert

Vorsichtsmassnahmen:

  • Alle Werkzeuge während der Installation immer in einem Bereich unterhalb der Anschlussklemmen ablegen – Schwerkraft wirkt auch im Motorenraum! Man neigt dazu Schraubenzieher etc. z.B. auf einen Kabelkanal zu legen. In den meist engen Verhältnissen können diese dann leicht runterfallen.
  • Schraubenzieher und Gabelschlüssel mit Elektrotape isolieren. Gerade Gabelschlüssel haben eine Länge, die beim Anschrauben der Pole einen Kurzschluss machen kann. Deshalb GANZER Schlüssel bis vorne zum Ring oder Gabel isolieren.
  • Nach der Installation: Pole schützen mit Plexiglasscheibe oder Gummikappe. Bei Zellen sind die vielen Pole und Verbindungen grösstenteils blank. Eine Plexiglasscheibe über den Zellen schützt nach der Installation das Pack vor Kurzschlüssen. Bei zusammengeschaltenen DropIns sollten alle Pole mit einer Gummikappe geschützt werden.

Tips und Tricks bei der Installation

  • Elektroschema von der bestehenden Installation erstellen. Dieses ist meist nicht oder nur unvollständig vorhanden. Jedes Kabel und jede Komponente im Schema und in der physischen Installation identifizieren und kennzeichnen.
  • Vergleich bestehende Installation mit neuem Schema. Welche Änderungen müssen gemacht werden?
  • Schritt für Schritt Arbeitsplan erstellen. Welche Kabel müssen weg, welche müssen neu verlegt werden, wo finde ich diese Kabel? Welche Komponenten werden wo installiert (BMS, Unterbrecher, etc.) ? Achtung, nicht alle Flächen eignen sich für die Installation von Komponenten. Prüfen ob das zu bohrende Loch nicht in der Aussenhülle rauskommt ;-).
Identifikation der Kabel
Wegen Corona sind die Verbindungsplatten nicht verfügbar
und werden aus einem 3mm Kupferband selber hergestellt
  • Neue Kabel konfektionieren (lassen) 12V Installationen haben vor allem auf der Batterieseite richtig fette Kabel. Das geht bist zu 90mm2. Um an diese Kabel einen Ringkabelschuh zu pressen braucht es eine entsprechende Crimpzange. Shops für Schiffszubehör konfektionieren diese Kabel nach Kundenwunsch oder verleihen die Crimpzange. Achtung: Kabelschuh muss auf den Kabelquerschnitt passen für eine sichere Verpressung. Ebenso muss der Ring auf das Gewinde an der Komponente (Regler, Schiene, etc.) passen. Ein Ringkabelschuh z.B. für ein 50mm2 kann unterschiedliche Bohrungen für die Montage haben (M6, M8, M10). Eine Liste mit der genauen Definition von jedem Kabel hilft.

Eine qualitativ hochwertige Verpressung der Kabelschuhe sorgt für einen sicheren Betrieb!

Zuerst müssen die alten Batterien raus

Dann kommen die neuen rein..

Prüfen der Installation und Inbetriebnahme

Nachdem die Installation abgeschlossen ist nochmals alles gem. Elektroschema überprüfen. Ein Markieren mit einem Leuchtstift auf dem Schema hilft zu erkennen, was gemacht wurde.

Alles Fertig verdrahtet

Bevor der Hauptschalter betätigt wird, sicherstellen, dass alle Verbraucher bzw deren Sicherung ausgeschalten ist. Danach Hauptschalter und BMS einschalten. Danach nach und nach die Verbraucher dazuschalten.

Während der Installation alle Verbraucher abschalten

Nach der Inbetriebnahme

Wenn alles funktioniert, müssen die Parameter vom BMS und allen Reglern angepasst werden. Hinweise dazu findest du im 2. Teil der Serie.

Die nächsten Tage gilt es die Batterie und das Batteriemanagement zu beobachten und die Parameter an den Ladereglern ggf. anzupassen.

Wichtige Werte für die Einstellungen (Details siehe Teil 2 dieser Serie) :

Für das BMS (bei Installation von Zellen mit einem externen BMS. Bei Drop Ins mit integriertem BMS können in der Regel keine Anpassungen gemacht werden):

  • Obere Zellenspannung Alarm: 3.4V
  • Obere Zellenspannung abschalten der Ladung: 3.5V
  • Untere Zellenspannung Alarm 3.0V
  • Untere Zellenspannung abschalten Verbraucher: 2.8V
Einstellen der Parameter am BMS

Bei Reglern, die individuelle Einstellungen zulassen (z.B. Victron MPPT Smart) sind die Einstellungen wie folgt, basierend auf meinen Erfahrungen und mit der Prämisse, dass die Batterie bis 95-98% geladen wird:

  • Ladeschlussspannung (Bulkspannung): 13.8V
  • Absorbtionszeit: 0 min
  • Erhaltungsspannung (Floatspannung): 13.2V

Bei Reglern, die keine individuelle Einstellung zulassen:

Viele Laderegler haben eine Kennlinie für Lithium Batterien. Die Ladeschlussspannung ist jedoch oft zu hoch (z.B. 14.4V bei Sterling). Dann haben die Zellen schon eine Spannung von 3.6V und wenn sie nicht ballanciert sind auch mehr (Theorie dazu im Teil 2). Bei diesen Reglern empfehle ich eine Ladekurve auszuwählen woe die Ladeschlussspannung nicht grösser als 14.2V beträgt.

Hier die Links zu
Teil 1 Theorie,
Teil 2 Konzept und
Teil 4 Erfahrungen.


Brauchst du Unterstützung mit der Umsetzung? Gerne helfe ich dir weiter bezüglich Fragen und Umsetzung.

Wo erhalte ich weitere Informationen

In der Facebook Gruppe Lithium Batteries on a Boat, gibt es unzählige Spezialisten zu diesem Thema. Viele von Ihnen haben Lithium Batterien schon mehr als 10 Jahre im Einsatz.

Auch der Artikel von marine how to über Lithium Batterien ist sehr empfehlenswert, wenn man die Installation selber durchführen möchte, enthält aber auch sons sehr viele wertvolle Informationen. Der Gründer und Besitzer von marine how to, Rod Collins, ist übrigens einer der Administratoren von Lithium Batteries an a Boat

Lithium auf Segelbooten: Eingesetzte und empfohlene Produkte

Victron Smart Battery Protect Solid State Relays Unterbrecher/Contactor

Victron Smart MPPT Solar Regler

Victron Power Inverter 12V/230V 1600W – 4000W

Balmar Alternator mit Regelung

Falls Ihr etwas über diese Links bestellt, bleibt für Euch der Preis gleich und wir bekommen ein bisschen Provision 😉

Lithium auf Segelbooten: Buchempfehlungen

Michael Köhler: Energieversorgung auf Yachten

David Andrea: Battery Management Systems for Large Lithium-Ion Battery Packs in Englisch

Jens Feddern: Theorie und Praxis der Bordelektrik

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