Lithium auf Segelbooten: Teil 4 Langzeiterfahrung

Du brauchst neue Batterien für dein Segelboot, Wohnmobil oder die Alphütte und machst dir Gedanken wie das Umsetzungskonzept für Lithium auf Segelbooten aussieht? Dann bist Du hier richtig 😉

In der vierteiligen Artikelserie beschreibe ich (Reto) die Umrüstung auf Lithium Batterien für ein Segelboot auf unserem Katamaran SHE SAN.
Im ersten Teil wurden die Vorteile und die Kosten von Bleibatterien gegenüber Lithiumbatterien aufgezeigt.
Im zweiten Teil beschreibe ich das Konzept der Installation und weise auf die typischen Hindernisse und Probleme hin.

Im dritten Teil erkläre ich den Einbau und Einstellung der Parameter. Ebenso gehe ich auf spezifische Probleme bei der Inbetriebnahme ein.

Im folgenden vierten Teil berichte ich über die Langzeiterfahrung nach 3.5 Jahren.

Allgemein

Lithiumbatterien sind heute meiner Ansicht nach Stand der Technik auf Segelbooten.

Durch die Qualitätsverbesserung von Drop Ins (siehe Teil 1) müssen sich Laien nicht mehr mit der komplexen Technik von Zellen, Batteriemanagement und Unterbrecher rumschlagen, sondern können die fertig konfektionierten 12V Zellen direkt auf dem Boot verbauen.

Ultimatron Lithium eingebaut auf einer FP Lucia
Ultimatron Lithium eingebaut auf einer Fountaine Pajot Lucia

Es gibt jedoch noch viele Werften und Ausrüster, die den Einbau von Lithium Batterien aus Risikogründen ablehnen. Hier ist lediglich anzumerken, dass es bisher keinen dokumentierten Brand auf Segelbooten durch LiFePO4 (Lithium Eisen Phosphat) Batterien gegeben hat. Die Vorraussetzung ist natürlich, dass die Installation fachgerecht geplant und ausgeführt wurde.

Kennt ihr Fälle wo nachweislich eine LiFePO4 (Lithium Eisen Phosphat) Batterie gebrannt hat? Dann bitte ich um entsprechende Informationen.

Das Thema Sicherheit bezogen auf die verschiedenen Lithium Typen wird im Tei 1 ausführlich behandelt.

Es gibt auch immer mehr Broker, die eine vorhandene Lithiuminstallation als Verkaufsmerkmal ansehen. Ein Broker in Malaysien hat mir gesagt, dass Yachten die noch Bleibatterien haben einen schlechteren Marktwert haben.

Täglicher Gebrauch

Sofern genügend Energie von den Solarpanelen reinkommt, gibt es (fast) keine Einschränkungen mehr im Stromverbrauch. Seit wir Lithium Batterien haben, kochen wir meist auf der Induktionsplatte und lassen den Wassermacher zu jeder Tages und Nachtzeit laufen.

Nimmt man aus einer Bleibatterie diese Menge Energie (Wassermacher 100A/1300W) geht ohne Unterstützung von Alternator oder Solar die Spannung sofort in die Knie. Die Lithium Zellen haben bei diesem Energieverbrauch einen Spannungsabfall von lediglich um die 0.1V

Hier die Messung für den Wasserkocher:

Ladestand 44%, Verbrauch 6.78A, Zellenspannung 3.25V
Verbrauch nun 54.65A, Spannungseinbruch kaum erkennbar. Bei diesem Ladezustand bricht die Spannung einer Bleibatterie bereits ein.

Als kritischer Pfad entpuppt sich meist das Umfeld wie zum Beispiel der Inverter. Wir haben einen Victron Inverter Phoenix Compact 2000VA.

Auf den ersten Blick denkt man, dass dies ein 2000W Inverter ist. Ein Blick ins Datenblatt zeigt jedoch, dass bei 25 Grad Celsius gerade mal 1600W gezogen werden können. Bei 40 Grad Celsius sind es noch 1450W (-10% !) und bei 65 Grad Celsius lediglich noch 1000W (-38% !!). In den Tropen oder auch nur schon in den Sommermonaten im Mittelmeer, kann das dann schon mal ins Gewicht fallen.

Immerhin sind diese Angaben im Victron Datenblatt ersichtlich, in Gegensatz zu vielen „Feld, Wald und Wiesen“ Invertern. Ich gehe jedoch davon aus, dass die Gesetze der Physik auch dort gelten ;-).

Laden Entladen

Laden

Maximaler Ladestrom

Der maximale Ladestrom ist im Datenblatt angegeben und beträgt in der Regel 1C (1x installierte Batteriekapazität). Für unsere installierte Kapazität von 540Ah wären das 540A ! maximaler Ladestrom.

Die installierte PV Anlage liefert maximal 660W, das wären 55A bei 12V.

Das Landstromladegerät liefert 60A.

Von den zwei Alternatoren können je ca. 50A gezogen werden, insgesamt 100A.

Somit wären wir theoretisch, wenn alle Ladequellen aktiv sind bei 215A.

Ladevorgang

Jeder kennt das leidige Thema bei den Bleibatterien. Trotz moderner Ladekurven, dauert es ewig, bis Bleibatterien geladen sind. Ein Grund ist, dass nur bis 80% Ladung mit der vollen Leistung geladen werden darf und sich die restlichen 20% mit der Konstantspannungsladung dann ewig hinziehen.

Nicht so die Lithium Batterie. Sie „frisst“ was sie kriegt. Und das bis die Batterie voll geladen ist Eine Absorbtionsladung ist nicht mehr notwendig. Mehr zu den Einstellungsparametern im Teil 2.

Die Ladung erfolgt somit bis auf 100% Ladung mit der vollen Leistung der Ladeeinheit. Diese muss für diese Dauerleistung ausgelegt sein.

Entladen

Auch Lithium Batterien haben ein technisches Limit, was das Entladen Betrifft. Üblicherweise ist der maximale Entladestrom mit 2C (2x die Batteriekapazität) angegeben. Das wären bei unseren installierten 540Ah, 1080A !

In der Praxis ist das Umfeld wie zum Beispiel der Inverter der limitierende Faktor.

Jedoch ist hier anzumerken, dass Drop Ins da viel restriktiver sind. Die oft sehr geringeren Lade- und Entladeströme von Drop Ins müssen bei jeder Batterie im Datenblatt nachgelesen werden. Grund dafür ist nicht die Lithium Zelle selbst, sondern die verwendeten Über- und Unterspannungsschalter, die die hohen Ströme nicht vertragen.

Langzeittest

Wir haben die Lithium Batterien im Februar 2020 eingebaut. Das sind nun (September 2023) 3.5 Jahre.

Erste Testphase nach der Installation

Die ersten 4 Monate waren die Batterien in normalem Gebrauch mit täglichen Törns bzw. dem Leben vor Anker in Thailand und Malaysien.

18 Monate ungebraucht

Danach folgte eine Stilllegung für 18 Monate während Covid. Die Zellen wurden bei einem Ladestand von ca. 70% stillgelegt. Bei unserer Rückkehr zum Schiff nach 18 Monaten, war die Selbstentladung ca. 3%, also nicht erwähnensswert. Die Starterbatterien aus Blei haben die 18 Monate ohne Ladung nicht überlebt.

Intensivtest während 2.5 Monaten

Im Anschluss waren wir während 2.5 Monaten grösstenteils kontinuierlich auf hoher See unterwegs durch den Indischen Ozean und das Rote Meer zurück ins Mittelmeer.

Betrieb während Abwesenheit

Wegen der Visaregelung in der Türkei, mussten wir im Sommer 2022 das Land für 3 Monate verlassen. Wir haben uns entschlossen, die Gefrierbox laufen zu lassen. Erwartungsgemäss hat alles problemlos funktioniert. Die Sommersonne in der Türkei lieferte mehr als genug Energie und das BMS und die Regler haben keinerlei Probleme bereitet.

Probleme

Immer wieder in Artikeln genannte Probleme mit den bereits verbauten Ladereglern haben sich bei uns und den von mir betreuten Installationen nicht bestätigt. Die Victron Laderegler lassen sich perfekt an eine Lithiuminstallation anpassen. Bei den meisten Ladereglern findet sich eine Einstellung, die die Ladung bei einer Spannung von plus minus 14 Volt unterbricht. So auch unser Landstrom Ladegerät, dass bei 14,1 Volt den Ladevorgang unterbricht und auch die Alternator Regler von Sterling, die bei 14,2 Volt stoppen. Das sind dann 3.55V pro Zelle also gerade noch tolerierbar.

Victron MPPT Smart Controller

Das eigentliche Problem sind die Alternatoren. In den Schiffen sind meist kostengünstige Alternatoren aus der Autoindustrie verbaut. Diese sind nicht dafür gebaut, langfristig den im Datenblatt angegebenen Strom zu liefern, da sie in der Regel nur die Starterbatterie wieder laden müssen.

Im Gegensatz zu einer Bleibatterie, zieht die Lithium Batterie über den ganzen Ladezyklus den vollen Strom aus dem Alternator. Eine Überhitzung hin bis zum „Toasten“ der Spulen ist die Folge.

Victron Orion Smart DC DC Charger

Die beste, wenn auch die teuerste Lösung ist sicher der Einbau von einem Alternator, der für diese hohen Ströme über eine lange Ladezeit gebaut ist. Balmar bietet dafür gute Produkte an, die auch die Temperatur vom Alternator überwachen und den Ladestrom bei Überhitzung drosseln. Leider ist man für so ein Produkt schnell mal über 1000 Euro los.

Eine einfache und relativ kostengünstige Lösung ist der Einbau von einem DC DC Wandler zwischen Starterbatterie und Lithiumbatterie (oftmals auch Ladebooster genannt). Der Alternator lädt direkt die (Blei) Starterbatterie und diese dann über den Wandler mit reduziertem Strom die Lithium Batterie. Mit dem Victron Orion DC DC Wandler habe ich bisher gute Erfahrungen gemacht, da auch dieser Regler perfekt an die Lithiumbatterien angepasst werden kann. Die Batterie kann so mit 30A, bei 2 parallel geschalteten Reglern bis 60A geladen werden.

Fazit

Die neuen Lithium Zellen sind nun 3.5 Jahre alt. Es ist bisher kein Verlust der Kapazität erkennbar. Auch ein überhöhter Spannungsabfall bei hoher Leistungsentnahme ist nicht feststellbar. Auch nicht, wenn die Zellen zu 50% entladen sind.

Im Vergleich dazu würde die Spannung bei einer 3 jährigen, nicht mehr ganz voll geladenen Bleibatterie bei hoher Leistungsentnahme sofort einbrechen.

Unser letzten Blei (AGM) Service Batterien haben 4 Jahre durchgehalten, wobei schon nach 3 Jahren ein Nachlassen der Leistung festzustellen war. Das heisst, wenn wir im 2020 Bleibatterien eingebaut hätten wären diese bereits wieder am Ende ihrer Tage.

Die Blei Starterbatterien haben den 18 Monatigen Unterbruch nicht überlebt. Sie haben sich selber entladen und die Zellen waren irreversibel entladen. Bei der Lithium Batterie konnte lediglich ein Spannungsverlust von ein paar Zehntel Volt gemessen werden.

Hier die Links zu
Teil 1 Theorie,
Teil 2 Konzept und
Teil 3 Einbau und Einstellungen der Parameter und
Teil 4 Erfahrungen.

Brauchst du Unterstützung mit der Umsetzung? Gerne helfe ich dir weiter bezüglich Fragen und Umsetzung.

5 Gedanken zu „Lithium auf Segelbooten: Teil 4 Langzeiterfahrung“

  1. Hallo Ewald,

    vielen Dank für Deine Informationen, hilft uns bei weiteren Überlegungen und öffnet den Weg für Lithium für unser Schiff.

    Eine Anmerkung möchte ich machen: bei uns haben die 12V Gel-Batterien (5×210 Ah) 20 Jahre gehalten, wir haben diese vor 3 Jahren vorsorglich getauscht, weil eine abgeraucht ist. Mal sehen wie lange die Batterien diesmal durchhalten. Muss aber sagen, dass diese ständig über Solar nachgeladen werden und wir im Peak nie mehr als 40% der Nennkapazität entnommen haben.

    Viele Grüsse Martin

    Antworten
    • Hallo Martin,
      vielen Dank für deinen Kommentar. Das ist wirklich erstaunlich und zeigt, dass gute Qualitätsbatterien bei vernünftigem Gebrauch auch lange halten. Der kritische Punkt bei uns war wahrscheinlich die hohe Temperatur in den Tropen, die die maximal möglichen Zyklen negativ beeinflusst.

      Melde dich, wenn du weutere Informationen brauchst

      Viele Grüsse
      Reto

      Antworten

Schreibe einen Kommentar

Translate »